Brandwunden
Kampflesbe nannte mich der Security Dude beim Konzerteinlass. Kampflesbe. Haha. Arsch. Kampflesbe. Weil er nicht gleich erkennen konnte dass ich Frau bin? Kampflesbe. Ist mein Shirt so groß dass es Körbchengrösse C versteckt? Kampflesbe. Lag’s an der Jacke? Kampflesbe. Der Mütze über den kurzen Haaren? Kampflesbe. Bin ich doch so fett? Kampflesbe. Dieser Bauch. Kampflesbe. Wieso hat der so viel Macht über mich? Kampflesbe. Warum löst das Wort so viele negative Assoziationen bei mir aus? Kampflesbe. Yeah. Reclaiming Kampflesbe. Ich bin einfach nicht der niedliche Blümchen und Blusen Typ. Kampflesbe. Hat ’schwere Knochen‘. Kampflesbe. ‚Die langen Haare sehen weicher aus.‘ Kampflesbe. Ich bin nicht weich. Kampflesbe. blödes Doppelkinn. Kampflesbe. Körpernormen. Kampflesbe. Kampflesbe. Kampflesbe. Kampflesbe. Ich will High Heels und Ausschnitt. Kampflesbe. Als würde ich mich damit wohl fühlen. Kampflesbe. Wohler als je zuvor. Kampflesbe. Bestätigungvonschnuckligemtypendringendgebraucht. Kampflesbe. Mehr Frau sein. Kampflesbe. Kampflesbe. Fickt doch eure Körpernormen und Schöhnheitsideale. Kampflesbe. Wenn ich wenigstens wirklich Lesbe wäre. Kampflesbe. Scheiß auf die scheiß Typen. Kampflesbe. Ich mag meine Lippen. Kampflesbe. An guten Tagen. Me so awesome. Kampflesbe. Warum gucken die so? Kampflesbe. Ja guck nur. Kampflesbe. Hip Hop Girl No.1 (aber für arme). Kampflesbe. Scheisse. Kampflesbe. Da ist was ganz tief eingebrannt.
Nachtrag bei Tageslicht: Ein Freundin machte mich gerade darauf aufmerksam, dass der Text aneignend ist , wenn ich als hauptsächlich hetero gelesene cis-Frau von Reclaiming spreche. Sie hat Recht. Der Text gibt den negativen Zuschreibungen sehr viel Raum und lässt reellen Diskriminierungserfahrungen von queeren Menschen aussen vor. Die Gedanken die ich dazu gestern hatte konnte ich nicht ausformulieren und sie wurden in dem zugegebenermaßen recht schlechten Satz „wenn ich wenigstens lesbisch wäre“ zusammengefasst. Der sagt zwar viel über mich aus *hust* aber erfasst das Problem nicht. Ich kann nichts reclaimen was mir gar nicht gehört. Mir fehlen gerade noch die richtigen Worte dafür und ich werde das sobald ich kann an anderer Stelle noch einmal ausführlicher aufgreifen. Bis dahin bleibt dieser Raum hier offen als Diskussionplattform.
Ich hab ein Problem mit lieben Frauen, so zarten, mit zarter Stimme, die so eine Kindergärtnerinnen-Niedlichkeit vor sich hertragen, vielleicht sogar noch Mütter, die 24 h am Tag Spaß haben beim Kinder betüdeln, und immer lächeln mit ihren hellen Stimmchen, sodass mensch Angst hat, sie ein bisschen schärfer anzureden, damit sie nicht zu weinen beginnen. Die machen mich richtig AGGRESSIV.
Denn dagegen bin ich: eine Dampfwalze, eine Planierraupe, ein Panzer. Verteile verbale Ohrfeigen, dominiere, platze rein, raus, stampfe auf, explodiere. Mein Lieblings-Spice Girl war Scary Spice. Wieso wundert mich das nicht mehr? Niedliche Idealweibchen lassen mich innerlich zum monströsesten Elefanten mutieren, der ganze Geschirrabteilungen vernichtet.
Und dann seh ich im Zug die Perfektion gegenübersitzen. Mit Perlenohrringen, richtigen Haarschnitt, Pulli unaufdringlich in Pastellfarben gehalten, irgendein Apple-Laptop, dazupassendes Federpenal, Make-up perfekt, wie einer Photoshop-Phantasie entsprungen. Und ich daneben als rüpelhafter Zirkusclown. Da fühl ich mich sofort bedroht und angegriffen, nur vom Hinschauen. Weil ich sehe was ich nicht bin, was ich sein könnte, niemals schaffen würde. Will ich das überhaupt? Allein der Anblick macht mich fertig. Wirkt wie ein Vorwurf. Aber ich kann halt nicht aus meiner Haut. zart und niedlich vs. krach bumm (Ich hasse Perlenohringe, so wahnsinnig, meine ganz persönliche Ausgeburt des „Bösen“.)
Sei lieb umarmt
Oh ja ich kenne die Gefühle gut und was sie eins schnell vergessen lassen ist, dass nicht diese Frauen* das Problem sind -genauso wenig wie ich oder du das Problem sind – sondern die Gesellschaft(en), die diese Frauen als das Ideal darstellt. Die Gesellschaft die uns weiß machen (Zweideutigkeit intended) will, dass es so besser ist anstatt verschiedene Formen zu akzeptieren. Die Gesellschaft die das Wort Kampflesbe abwertet und damit den alltäglichen Kampf von Lesben gegen Diskriminierung gleich mit. Die Gesellschaft, die es immer noch schafft, dass wir Frauen auf einander losgehen anstatt auf die Gesellschaft obwohl wir es doch besser wissen müssten.
ich wurde schon so oft so genannt, und zwar immer, wenn mein gegenüber beleidigt war, weil mein leben sich nicht daran orientiert, ihm zu gefallen. dabei hab ich sogar perlenohrringe. und als ehemalige an-der-tür-stehende und noch öfter durch-die-tür-gehende: männliche dominanz ist ja quasi die vorraussetzung für diesen job. vermutlich hat du ihm einfach nur angst gemacht. you so awesome! (womit ich dir nicht deine gefühle absprechen will. es bleibt ja eine abwertung. und total daneben lesbischen kampf so als schimpfwort zu benutzten) und ich empfehle zu dem thema nach wie vor kingkong theorie von virginie despentes http://www.feministpress.org/books/virginie-despentes/king-kong-theory (vorsicht sexualisierte gewalt u.a.)
ch finde den text ehrlich gesagt schwierig, weil diesen negativen assoziationen und normativen vorstellungen so viel raum gegeben wird – ich verstehe schon, dass es auch eine selbstkritik sein soll, aber es wird ja aus diesem grund sehr viel problematisches reproduziert. ich bin auch über den punkt mit dem reclaiming und „wenn ich wenigstens lesbisch wäre“ gestolpert. da sehe ich eine aneignungsproblematik. meine frage – die sich natürlich nicht alle stellen müssen – ist (bei veröffentlichtem) immer auch die nach dem zweck eines textes, und da würde ich nochmal nachfragen wollen, wie du den hier beschreiben würdest.
Dankeschön. Gestern Abend ging es mir vor allem darum das rauszulassen weil es sich so in mich hineinfraß und ich so erschrocken war das es so negativ besetzt war. Du hast recht es reproduziert sehr viel.
ich würde mein unbehagen mit dem text folgendermaßen zusammenfassen: ich denke, hier findet ein sich-luftmachen und eine selbstreflektion (welche assoziationen habe ich selbst am laufen, was machen bestimmte bezeichnungen mit mir?) auf dem rücken anderer statt. eben durch dieses zusammenspiel von reproduktionen, abgrenzungen und aneignungen. diese kritik zielt wie gesagt nicht auf deine inneren prozesse ab, sondern auf die funktion, die ein veröffentlichter text, der in einem bestimmten kontext steht/stehen will, erfüllt, aber das weißt du ja 😉
ich würde mein unbehagen mit dem text folgendermaßen zusammenfassen: ich denke, hier findet ein sich-luftmachen und eine selbstreflektion (welche assoziationen habe ich selbst am laufen, was machen bestimmte bezeichnungen mit mir?) auf dem rücken anderer statt. eben durch dieses zusammenspiel von reproduktionen, abgrenzungen und aneignungen. diese kritik zielt wie gesagt nicht auf deine inneren prozesse ab, sondern auf die funktion, die ein veröffentlichter text, der in einem bestimmten kontext steht/stehen will, erfüllt, aber das weißt du ja 😉