(Namens)findung: to bi or not to bi
Dieser Text war eine Zeitlang offline, denn obwohl ich viel positives Feedback bekommen habe – einiges davon sehr problematsich – , gab es auch eine mir wichtige und ausführliche Kritik an dem Text. Alles in allem fühlt es sich für mich trotzdem so an als wäre das, was ich sagen will bei den Leser_innen nicht angekommen. Das liegt dann aber wohl eher an mir.
Ich will nicht die Kämpfe unsichtbar machen, die mir vorangehen und andauern während ich cis bin und hetero gelesen werde. Mir geht es auch nicht um den Sex. Der ist nur für mich nur optionaler Teil eines großen Ganzen und gehört nicht unbedingt in meine Definition von Beziehung. Ich will niemanden exotisieren oder othern auch wenn ich das noch tue. Mein Kopf rattert weiter, dreht sich im Moment allerdings im Kreis. Ich weiß wie problematisch das Thema ist, wie viele Stolpersteine und Hürden es hat und wie schnell es andere ausschließt. Dennoch sollte es doch möglich sein darüber zu sprechen ohne Menschen zu verletzten. Ich habe das trotz aller Vorsicht wohl nicht geschafft möchte meine eigene Unsicherheit und den kleinen persönliche Kampf gegen meine verinnerlichten Stereotype und Sexismen (und darum geht es mir hauptsächlich) aber auch nicht in mich reinfressen. Das mag egoistisch sein, aber ich glaube es gibt noch viele andere denen es ähnlich geht.
Kurz: Ich komme ohne Dialog nicht weiter und stelle deshalb, mit gemischten Gefühlen, den Text mit diesem Vorwort und dem Hinweis auf folgende Kommentare http://maedchenmannschaft.net/heterosexualitaet-ist-eine-schlechte-angewohnheit/#comment-632145 & http://maedchenmannschaft.net/heterosexualitaet-ist-eine-schlechte-angewohnheit/#comment-632200 wieder online.
Neulich in einem Gespräch nannte ich mich queer, bekam ein schlechtes Gewissen und ergänzte auf Nachfrage, weil mein Gegenüber wusste, dass ich Männer date: nenn es bi-sexuell wenn du es irgendwie labeln willst. Mein gegenüber erwiderte: das hast du doch gerade selbst getan als du dich queer nanntest. ja, dachte ich, krass, hab ich und außerdem fühlt sich „bi-sexuell“ auch nicht richtig an und ZACK! da waren sie wieder die Fragen und Zweifel, das schlechte Gewissen: Darf ich mich queer nennen? Wie nenn ich mich? Will ich mich bi-sexuell nennen? (Geht mir nicht weit genug.) Passt pan-sexuell nicht viel besser? (Nachvollziehbare Kritikpunkte an dem Begriff gibt es.) Warum brauche ich überhaupt einen Namen ‚dafür‘?
Ich höre Angel Haze’s großartige version von Same Love und es bewegt (sich) ganz viel in mir.
Ich höre wie sie rapt:
„No I’m not gay
No I’m not straight
And I’m sure as hell not bisexual damnit
I am whoever I am when I am it.
Loving whoever you are when the stars shine
And whoever you’ll be when the sun rises“ – Andrea Gibson
Oh wie schön das klingt. Nur: Ist es wirklich so „einfach“? Ich weiß wie ich gelesen werde. straight. Ich kenne meine Verhaltensmuster. straight. aus denen ich nur langsam ausbreche. straight. straight. straight.
aber reicht das? Ja, ich will mit Frauen* schlafen und noch viel mehr. Aber ich weiß seit mindestens 10 Jahren dass ich das will, getan habe ich es trotzdem nicht. Genau genommen weiß ich inzwischen, dass es nicht mal um Männer und Frauen geht, sondern dass mich schöne (und damit meine ich Geist, Körper und was sonst alles noch dazugehört) Menschen aus der ganzen großen Gendermöglichkeitswolke ansprechen. dennoch Unsicherheit. Wie kann ich eins davon überzeugen dass ich nicht eine weitere Hetera bin, die mal Grenzen überschreiten will aber nicht zu viel und nicht zu lange, wenn ich es noch nie gemacht habe? ist nicht allein die Tatsache, dass ich denke ich müsste eins überzeugen schon total schief? Wieviel Aneignug steckt in meinen Worten? Wieviel Cis-Sexismus? und wie komme ich da raus?
ich fühle mich verloren. weiß nicht mit wem ich darüber sprechen kann, eben weil ich kein_e verletzen möchte. und kotze es jetzt doch hier raus. Semi-Anonymität. Es fällt mir immer noch schwer. und ich will nicht mehr.
ich will nicht mehr hetero, ich will nicht mehr mono, ich will nicht mehr norm. Ich will alles umschmeißen, umkrempeln, endlich ich sein. aber wer will das mit mir?
Ich! Oh man, genau dieses Thema hatte ich vor zwei Tagen mit meinem Kollegen. Dieses „Was bist du denn?“-Thema. Was bin ich? Ein Mensch. Und auf was steh ich? Äh…Menschen eben. (Mann, Frau, alt jung, gebildet, Aussteiger, grosse Nase, k(l)eine Brille…). Ich bin nicht bi, ich bin nicht lesbisch, ich bin nicht hetero, ich bin kein Sugarbabe, oder Cougar, kein Nerd-liebhaber oder Nasen-Fetischist. Ich bin auch nicht sexuell verwirrt oder gar eine Nymphomanin. Ich bin ein Mensch.
Ich lerne Menschen kennen und finde sie toll (oder eben nicht) und manchmal verliebe ich mich sogar in diese Menschen (oder eben nicht). Punkt. Wenn da jemand ein Lable für braucht: Bitteschön. Ich brauche das nicht.
Oder etwa doch? Ein guter Freund von mir (der diesen Zustand tatsächlich eben mit queer beschreibt, meist aber eher für das gegenüber als für sich selbst) gab zu bedenken “da es halt immer noch als “anders” (als die Norm) angesehen wird braucht(e) man eben diese Lables. Um sich zu positionieren. Ob das in Zukunft noch sein muss bleibt abzuwarten. “Um eine Mitte zu finden muss man erst eine andere, extreme Seite erschaffen. Diese Lables sind das andere Extrem. Nun sind wir auf dem Weg in die Lable-lose Mitte.”
Ich hoffe er behält recht. Ich danke für diesen Text!! Du bist nicht allein!
Nahezu jedes Wort könnte ich unterschreiben, nahezu deshalb, weil ich im Alltag als Mann gelesen werde. Deshalb, weil queer für mich der einzige akzeptable Begriff ist, aber lange noch kein besonders guter. Und weil auch mich das schon lange zu der Frage geführt hat, ob ich überhaupt ein Wort brauche. „Bisexuell“, das ist so – eng. Sexuelles Begehren, das sich auf Frauen* und Männer* richtet, okay. Aber was ist mit den Trans*menschen, die ich gedatet habe? Was ist mit den Menschen, die ich begehrt habe, noch bevor ich wusste, wie sie sich selbst verorten (weil es ihnen auch nicht unbedingt anzusehen war)? Und warum sollte ich überhaupt mein sexuelles Begehren nur danach definieren, auf wen es sich richtet? Ist es nicht auch ein Teil meiner sexuellen Identität, dass ich Crossdresser*in bin, kinky, poly? Himmel. Wie soll das alles in einem Wort stecken?
Ich nenne mich queer, weil mir nichts besseres einfällt. Aber eigentlich bin ich nur ich – ein Mensch, ein sexuelles Wesen. Und worauf sich der Fokus dieser Sexualität richtet, davon bin ich zuweilen noch selber überrascht.